Wenn die Verurteilungssucht ungezügelt wird

Ein Justizvollzugsbeamter wurde wegen des Verdachtes der Bestechlichkeit zunächst vom Amtsgericht und dann vom Landgericht freigesprochen. Die Staatsanwaltschaft verbiss sich in die Sache und schaffte es, dass das Oberlandesgericht das freisprechende Urteil der ersten Berufungskammer aufgehoben und die Sache zurückverwiesen hat.

Bei der zweiten Berufungskammer kam es dann mit einem schwer erträglichen Urteil zu einer Verurteilung zu einer Geldstrafe, die die bürgerliche Existenz des Justizvollzugsbeamten nachhaltig und endgültig zerstört hätte. Ich wurde dann mit der Revision beauftragt, die erfolgreich war. Die Braunschweiger Zeitung schreibt dazu:

Werner Siebers, der Anwalt des Beamten, zeigte sich zufrieden. „Das war das schlechteste Urteil, das ich in 40 Jahren Anwaltstätigkeit gelesen habe.“ Er hatte in seiner Revisionsbegründung zahlreiche Punkte angegriffen.

Da wird der Strafverteidiger tatsächlich treffend zitiert. Das Oberlandesgericht Braunschweig führt in dem Urteil aus:

Die zulässig erhobene Verfahrensrüge der Verletzung des § 265 Abs. 2 Nr. 3 StPO ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an eine andere kleine Strafkammer des Landgerichts. Das Urteil beruht auch auf diesem Verfahrensfehler (§ 337 STPO).

Das Gericht, das den Schuldspruch innerhalb des Rahmens der prozessualen Tat im Sinne des § 264 STPO auf einen gegenüber der Anklage wesentlich verändertes Tatbild stützt, muss dem Angeklagten zuvor einen entsprechenden Hinweis erteilen.

Eine wesentliche Veränderung des Tatbildes lag vor. Die Verteidigungsmöglichkeiten des Angeklagten waren ohne den erfolgten Hinweis erheblich eingeschränkt. Er ist zu keinem Zeitpunkt darauf hingewiesen worden, dass das An-sich-Nehmen des Telefons zur Enlsorgung für das Landgericht als alternatives Tatverhalten in Betracht kommen würde. Die Annahme dieses alternativen Tatverhaltens ergibt sich auch nicht durch den Gang der Hauptverhandlung. Das Urteil beruht auf diesem Verfahrensfehler.

Die vielen weiteren Klopfer im Urteil, die wirklich den Hautgout einer ungesunden übertriebenen Verurteilungsgier erahnen lassen, würden hier den Rahmen eines Blogbeitrages sprengen. Eine Vorsitzende, die nicht zum ersten Mal auffällig geworden ist. Aus Sicht eines Verteidigers: unerträglich!

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Faxgerät defekt – Staatsanwaltschaft Braunschweig von der Außenwelt abgeschnitten

Einige meiner Faxe an die Staatsanwaltschaft Braunschweig konnten nicht übertragen werden. Ein Anruf meiner Sekretärin ergab:

Man warte auf ein neues Faxgerät, dann sei der zentrale Faxruf wieder erreichbar!

In Zeiten, in denen jeder Hans und Franz (nicht die Brüste von Heidi Klum) bei Media-Markt oder Saturn Elektrogeräte in 90 Minuten geliefert bekommt, ist es schon bemerkenswert, wenn eine Behörde wie die Staatsanwaltschaft Braunschweig über Tage über das Zentralfax nicht erreichbar ist.

Der Strafverteidiger verzweifelt nicht, es gibt noch andere Übermittlungsmöglichkeiten. Aber behördenintern werden erfahrungsgemäß Faxe noch am schnellsten vorgelegt.

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Noch Eier im Höschen oder schon Rechtsbeugung?

Ein Strafgefangener beantragt die von Justizvollzugsbeamten begleitete Ausführung zur Hochzeit seines Bruders. Die Justizvollzugsanstalt lehnt diesen Antrag ab, weil die Hochzeit des Bruders kein „wichtiger Anlass“ im Sinne des Landesgesetzes sei.

Auf den Antrag des Gefangenen nach § 109 StVollzG entscheidet die Strafvollstreckungskammer des Landgerichtes, dass die Hochzeit des Bruders sehr wohl ein wichtiger Anlass im Sinne des Landesgesetzes sei und verpflichtet die JVA, den Antrag des Antragstellers unter Beachtung dieser Rechtsmeinung des Gerichtes neu zu bescheiden.

Die Justizvollzugsanstalt zeigt den Stinkefinger, bescheidet neu und lehnt wieder ab mit der unglaublichen Begründung, „entgegen der Meinung der Strafvollstreckungskammer“ sei die Hochzeit des Bruders kein wichtiger Grund im Sinne des Landesgesetzes. Die Leiterin der Justizvollzugsanstalt erklärt auch einem anderen Gefangenen noch, dass sie Gerichtsentscheidungen außer des Verfassungsgerichtes eh nicht interessieren würden.

Darf man mal mit Erstaunen zur Kenntnis nehmen, dass eine Behördenleiterin ausspricht, dass sie verpflichtende Gerichtsentscheidungen einen feuchten Kehricht interessiert. Versteht eines ausgewachsene Regierungsrätin weiterhin nicht, dass sie im Rahmen der Gewaltenteilung Gerichtsentscheidungen zu akzeptieren hat? Glaubt sie, dass sie den „lieben Gott“ ersetzt?

Sie ist schon öfter „aufgefallen“, die Frage, ob das alles schon Rechtsbeugung sein könnte, wird nun die zuständige Staatsanwaltschaft zu prüfen haben.

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40 Jahre und noch nicht genug?

Am 09.04.1984 bin ich als Anwalt zugelassen worden. Von Beginn an lag mein Schwerpunkt im Strafrecht, seit einigen Jahren bearbeite ich so gut wie ausschließlich Fälle aus dem strafrechtlichen Bereich.

Ich danke allen Kollegen, Freunden und Bekannten, die mir zu diesem Jubiläum gratuliert haben.

Noch habe ich nicht genug, es macht mir weiterhin unbändigen Spaß, für die Rechte der Mandanten einzutreten und dabei meine Erfahrung „auszuspielen“. Hin und wieder klappt das ja auch noch ganz gut, und mit „Niederlagen“ und „Nichterfolgen“ kann ich umgehen, weil ich mir nicht vorzuwerfen habe, nicht immer alles versucht zu haben, was mir eingefallen ist.

Die freundlichen Kollegen aus meinem Umfeld wissen, dass Sie mich „zurückpfeifen“ sollen, wenn sie merken, dass ich nicht merke, dass es doch nicht mehr geht.

Ich verlasse mich auf Euch!

Auch Dank an alle Menschen aus meinem Umfeld, die mir geholfen haben, so zu werden, wie ich bin. Und Dank auch an alle, die mir immer wieder mal die Möglichkeit geben, mein Fachwissen und meine Erfahrung zu nutzen, ihnen zu zeigen, dass sie nicht allwissend sind.

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Das Nichtssagende eines Nichtssagers

Kennt Ihr auch die Richter, die Ihre Pseudoautorität dadurch untermauern, dass sie den anderen Verfahrensbeteiligten entweder verweigern, ihnen „das Wort zu erteilen“, oder bei dem Versuch eines Einwurfes sofort schneidig hineingrätschen mit dem Bemerken: „Ich habe Ihnen nicht das Wort erteilt!“

Was treibt diese selbsternannten Götter der Allwissenheit dazu, sofort und immer prognostizieren zu können, dass das, was der andere zu sagen versucht, störend, nicht verfahrensfördernd oder per se verzögernd sein wird? Das, obwohl das eigene Gesagte möglicherweise nichts weiter ist, als die heiße Luft aus einer Selbstbeweihräucherung, also gewöhnliches Nichtssagendes.

Was glauben diese Masturbatoren des eigenen Egos, wie unendlich unüberbietbar ihr eigenes Wissen ist? Was befürchten sie, was passieren könnte, wenn sie hin und wieder auch einmal zwischendurch das Aussprechen fremder Gedanken bewirken könnte?

Ein Psychologe gehobenen Ranges hat mir eine einfache Erklärung geliefert: Viele nur mit Minderwertigkeitskomplexen durchfressene Personen können wahre Narzissten werden. Fehlt es der an sich bemitleidenswerten Person an Selbstwertgefühl und sind Minderwertigkeitskomplexe und Unsicherheiten stark ausgeprägt, wird dieser Mangel durch ein erschaffenes Größenselbst kompensiert. Diese Spiegelhelden identifizieren sich nicht mit dem, was sie sind, sondern mit dem, was sie sein wollen.

Also liebe Richter, lasst Euch hin und wieder herab, Euch auch einmal positiv von einem Einwurf, einer Kritik oder einer Frage unterbrechen zu lassen. Das tut nicht nur Eurer Außenwirkung gut, das eine oder andere Mal wieder gibt es Prozessen auch eine durchaus positive Wende, wenn man frühzeitig auch die Gedanken anderer, seien es Staatsanwälte oder Verteidiger, zulasst, unabhängig davon, ob dieser andere bessere oder schlechtere Examensnoten hat als Du selbst.

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